Weit über die Grenzen von Köln, wo Carl Wilhelm Jatho, Vater von Carl Oskar Jatho, ab 1891 Pfarrer war, wurde der sogenannte Fall Jatho bekannt: Ihm wurde vorgeworfen, er lehre Pantheismus, sodass 1911 die Amtsenthebung erfolgte. Danach betrieb er im Ruhestand seine Lehren weiter und hielt zahlreiche Vorträge, 1906 erstmals auch für die Arbeiterschaft.
Carl Wilhelm Jatho, der eine entkonfessionalisierte Kirche und die Besinnung auf urchristliche Werte wie brüderliche Gemeinschaft forderte, prägte auch das Gemeinschaftsverständnis der Kalltalgemeinschaft: Carl Oskar Jatho wählte bewusst den Begriff ,Orden‘ in seiner Schrift Von der Gesellschaft zu Gemeinschaft von 1920, um sein ideales Gemeinschaftsmodell zu beschreiben. 1913 erschienen mit Zur Freiheit seid Ihr berufen! und Die religiöse Kraft des Protestantismus gleich zwei Schriften im Verlag Eugen Diederichs in Jena. Diederichs, Mitbegründer der Werkbundes und einer der wichtigsten Verleger seiner Zeit, war ein wichtiger Förderer Jathos und verlegte auch Schriften der Kalltal-Presse.
„Die Entwicklung drängt seit Jahrhunderten darauf hin, Brücken zu schlagen von Volk zu Volk, von Kirche zu Kirche, von Religion zu Religion. Wir prüfen den Wert und die Kraft dieser geschichtlich gewordenen Gemeinschaften und Organisationen an dem Maßstab der Menschlichkeit, der Menschenrechte und der Menschenpflichten.“
Carl Wilhelm Jatho, Predigt, 1910
„Ein Pfarrer, dem es gelingt, Sozialdemokraten und Freidenker, Monisten und ,Atheisten‘, fortgeschrittene Katholiken und Juden in die Kirche zu ziehen, der bei jeder Predigt ein volles, überfülltes Haus zu seinen Füße sieht, dessen unantastbare, lautere Persönlichkeit selbst seine Gegner mit Verehrung erfüllt, – unheimlich!“
Käthe Jatho-Zimmermann, Skizze des Falles Jatho, 1914
„Meine Studien beziehen sich gegenwärtig in erster Linie auf den Monismus, mit dem ich mich aus bestimmten Gründen etwas genauer bekannt machen muß. […] Ich wundere mich dabei aber oft, wie sehr die Grundgedanken der monistischen Weltanschauung schon seit vielen Jahren meine eigenen sind.“
Carl Wilhelm Jatho, Brief an Frau Rat, 1912
„Der Monismus mag immerhin eine Spezialität sein – er erscheint nur aber unentbehrlich als letztes Ziel alles Denkens, auch der religiösen Vernunft.“
Carl Wilhelm Jatho, Brief an Pastor Burggraf, 1906