Bis zum Kriegsende gab es eine große Anzahl von Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern, aber auch von Vertretern der Religionsgemeinschaften, die die kriegerischen Maßnahmen unterstützte. 1914 wird der sogenannte Aufruf der 93 an die Kulturwelt veröffentlicht. Hierin wenden sich viele der bekanntesten Vertreter aus Kunst, Kultur und Wissenschaft wie Peter Behrens, Wilhelm von Bode, Ernst Haeckel, Gerhart Hauptmann, Engelbert Humperdinck, Anton Koch, Karl Lamprecht, Max Liebermann, Friedrich Naumann, Max Planck, Max Reinhard, Wilhelm Röntgen oder Wilhelm Wundt gegen die vermeintlichen Lügen und Verleumdungen vonseiten der Alliierten, dass Deutschland den Krieg verschuldet habe. Kaiser Wilhelm II. galt ihnen als Schirmherr des Weltfriedens. Unter der kriegskritischen Rubrik Ich schneide die Zeit aus druckte Franz Pfemfert den Text 1915 in Die Aktion ab.
„An die Kulturwelt! Ein Aufruf Wir als Vertreter deutscher Wissenschaft und Kunst erheben vor der gesamten Kulturwelt Protest gegen die Lügen und Verleumdungen, mit denen unsere Feinde Deutschlands reine Sache in dem ihm aufgezwungenen schweren Daseinskampfe zu beschmutzen trachten. Der eherne Mund der Ereignisse hat die Ausstreuung erdichteter deutscher Niederlagen widerlegt. Um so eifriger arbeitet man jetzt mit Entstellungen und Verdächtigungen. Gegen sie erheben wir laut unsere Stimme. Sie soll die Verkünderin der Wahrheit sein. Es ist nicht wahr, daß Deutschland diesen Krieg verschuldet hat. Weder das Volk hat ihn gewollt noch die Regierung noch der Kaiser. Von deutscher Seite ist das Äußerste geschehen, ihn abzuwenden. Dafür liegen der Welt die urkundlichen Beweise vor. Oft genug hat Wilhelm II. in den 26 Jahren seiner Regierung sich als Schirmherr des Weltfriedens erwiesen; oft genug haben selbst unsere Gegner dies anerkannt. Ja, dieser nämliche Kaiser, den sie jetzt einen Attila zu nennen wagen, ist jahrzehntelang wegen seiner unerschütterlichen Friedensliebe von ihnen verspottet worden. Erst als eine schon lange an den Grenzen lauernde Übermacht von drei Seiten über unser Volk herfiel, hat es sich erhoben wie ein Mann. Es ist nicht wahr, daß wir freventlich die Neutralität Belgiens verletzt haben. Nachweislich waren Frankreich und England zu ihrer Verletzung entschlossen. Nachweislich war Belgien damit einverstanden. Selbstvernichtung wäre es gewesen, ihnen nicht zuvorzukommen. Es ist nicht wahr, daß eines einzigen belgischen Bürgers Leben und Eigentum von unseren Soldaten angetastet worden ist, ohne daß die bitterste Notwehr es gebot. Denn wieder und immer wieder, allen Mahnungen zum Trotz, hat die Bevölkerung sie aus dem Hinterhalt beschossen, Verwundete verstümmelt, Ärzte bei der Ausübung ihres Samariterwerkes ermordet. Man kann nicht niederträchtiger fälschen, als wenn man die Verbrechen dieser Meuchelmörder verschweigt, um die gerechte Strafe, die sie erlitten haben, den Deutschen zum Verbrechen zu machen. Es ist nicht wahr, daß unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer rasenden Einwohnerschaft, die sie im Quartier heimtückisch überfiel, haben sie durch Beschießung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung üben müssen. Der größte Teil von Löwen ist erhalten geblieben. Das berühmte Rathaus steht gänzlich unversehrt. Mit Selbstaufopferung haben unsere Soldaten es vor den Flammen bewahrt. – Sollten in diesem furchtbaren Kriege Kunstwerke zerstört worden sein oder noch zerstört werden, so würde jeder Deutsche es beklagen. Aber so wenig wir uns in der Liebe zur Kunst von irgend jemand übertreffen lassen, so entschieden lehnen wir es ab, die Erhaltung eines Kunstwerks mit einer deutschen Niederlage zu erkaufen. Es ist nicht wahr, daß unsere Kriegführung die Gesetze des Völkerrechts mißachtet. Sie kennt keine zuchtlose Grausamkeit. Im Osten aber tränkt das Blut der von russischen Horden hingeschlachteten Frauen und Kinder die Erde, und im Westen zerreißen Dumdumgeschosse unseren Kriegern die Brust. Sich als Verteidiger europäischer Zivilisation zu gebärden, haben die am wenigsten das Recht, die sich mit Russen und Serben verbünden und der Welt das schmachvolle Schauspiel bieten, Mongolen und Neger auf die weiße Rasse zu hetzen. Es ist nicht wahr, daß der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutze ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande, das jahrhundertelang von Raubzügen heimgesucht wurde wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins. Dieses Bewußtsein verbrüdert heute 70 Millionen Deutsche ohne Unterschied der Bildung, des Standes und der Partei. Wir können die vergifteten Waffen der Lüge unseren Feinden nicht entwinden. Wir können nur in alle Welt hinausrufen, daß sie falsches Zeugnis ablegen wider uns. Euch, die Ihr uns kennt, die Ihr bisher gemeinsam mit uns den höchsten Besitz der Menschheit gehütet habt, Euch rufen wir zu: Glaubt uns! Glaubt, daß wir diesen Kampf zu Ende kämpfen werden als ein Kulturvolk, dem das Vermächtnis eines Goethe, eines Beethoven, eines Kant ebenso heilig ist wie sein Herd und seine Scholle. Dafür stehen wir Euch ein mit unserem Namen und mit unserer Ehre!
Adolf v. Baeyer, Exz., Professor der Chemie, München; Professor Peter Behrens, Berlin; Emil v. Behring, Exz., Professor der Medizin, Marburg; Wilhelm v. Bode, Exz., Generaldirektor der königlichen Museen, Berlin; Alois Brandl, Professor, Vorsitzenden der Shakespeare-Gesellschaft, Berlin; Lujo Brentano, Professor der Nationalökonomie, München; Professor Justus Brinkmann, Museumsdirektor, Hamburg; Johannes Conrad, Professor der Nationalökonomie, Halle; Franz v. Defregger, München; Richard Dehmel, Hamburg; Adolf Deißmann, Professor der protestantischen Theologie, Berlin; Professor Wilhelm Dörpfeld, Berlin; Friedrich v. Duhn, Professor der Archäologie, Heidelberg; Professor Paul Ehrlich, Exz., Frankfurt a. M.; Albert Ehrhard, Professor der katholischen Theologie, Straßburg; Karl Engler, Exz., Professor der Chemie, Karlsruhe; Gerhard Esser, Professor der katholischen Theologie Bonn; Rudolf Eucken, Professor der Philosophie, Jena; Herbert Eulenberg, Kaiserswerth; Heinrich Finke, Professor der Geschichte Freiburg; Emil Fischer, Exz., Professor der Chemie, Berlin; Wilhelm Foerster, Professor der Astronomie, Berlin; Ludwig Fulda, Berlin; Eduard v. Gebhardt, Düsseldorf, J. J. de Groot, Professor der Ethnographie, Berlin; Fritz Haber, Professor der Chemie, Berlin; Ernst Haeckel, Exz., Professor der Zoologie, Jena; Max Halbe, München; Professor Adolf v. Harnack, Generaldirektor der königlichen Bibliothek, Berlin; Gerhart Hauptmann, Agnetendorf; Karl Hauptmann, Schreiberhau; Gustav Hellmann, Professor der Meteorologie, Berlin; Wilhelm Herrmann, Professor der protestantischen Theologie, Marburg; Andreas Heusler, Professor der nordischen Philologie, Berlin; Adolf v. Hildebrand, München; Ludwig Hoffmann, Stadtbaumeister, Berlin; Engelbert Humperdinck, Berlin; Leopold Graf Kalckreuth, Präsident des Deutschen Künstlerbundes, Eddelsen; Arthur Kampf, Berlin; Fritz Aug. v. Kaulbach, München; Theodor Kipp, Professor der Jurisprudenz, Berlin; Felix Klein, Professor der Mathematik, Göttingen; Max Klinger, Leipzig; Alois Knoepfler, Professor der Kirchengeschichte, München; Anton Koch, Professor der katholischen Theologie, Tübingen; Paul Laband, Exz., Professor der Jurisprudenz, Straßburg; Karl Lamprecht, Professor der Geschichte, Leipzig; Philipp Lenard, Professor der Physik, Heidelberg; Maximilian Lenz, Professor der Geschichte, Hamburg, Max Liebermann, Berlin; Franz v. Liszt, Professor der Jurisprudenz, Berlin; Ludwig Manzel, Präsident der Akademie der Künste, Berlin; Joseph Mausbach, Professor der katholischen Theologie, Münster; Georg v. Mayr, Professor der Staatswissenschaft, München; Sebastian Merkle, Professor der katholischen Theologie, Würzburg; Eduard Meyer, Professor der Geschichte, Berlin; Heinrich Mors, Professor der romanischen Philologie, Berlin; Friedrich Naumann, Berlin; Albert Reisser, Professor der Medizin, Breslau; Walter Nernst, Professor der Physik, Berlin; Wilhelm Ostwald, Professor der Chemie, Leipzig; Bruno Paul, Direktor der Kunstgewerbeschule, Berlin; Max Planck, Professor der Physik, Berlin; Albert Plehn, Professor der Medizin, Berlin; Georg Reicke, Berlin; Professor Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters, Berlin; Alois Riehl, Professor der Philosophie, Berlin, Karl Robert, Professor der Archäologie, Halle; Wilhelm Röntgen, Exz., Professor der Physik, München; Max Rubner, Professor der Medizin, Berlin; Fritz Schaper, Berlin; Adolf v. Schlatter, Professor der protestantischen Theologie, Tübingen; August Schmidlin, Professor der Kirchengeschichte, Münster; Gustav v. Schmoller, Exz., Professor der Nationalökonomie, Berlin; Reinhold Seeberg, Professor der protestantischen Theologie, Berlin; Martin Spahn, Professor der Geschichte, Straßburg; Franz v. Stuck, München; Hermann Sudermann, Berlin; Hans Thoma, Karlsruhe; Wilhelm Trübner, Karlsruhe; Karl Vollmöller, Stuttgart; Richard Voß, Berchtesgaden; Karl Vossler, Professor der romanischen Philologie, München; Siegfried Wagner, Bayreuth; Wilhelm Waldeyer, Professor der Anatomie, Berlin; August v. Wassermann, Professor der Medizin, Berlin; Felix v. Weingartner; Theodor Wiegand, Museumsdirektor, Berlin; Wilhelm Wien, Professor der Physik, Würzburg; Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff, Exz., Professor der Philologie, Berlin; Richard Willstätter, Professor der Chemie, Berlin; Wilhelm Windelband, Professor der Philosophie, Heidelberg, Wilhelm Wundt, Exz. Professor der Philosophie, Leipzig."